Leider wurde in Wolfsburg keine öffentliche Aktion aus Anlass des Antirassismustages organisiert. So schlossen sich Wolfsburger Antirassisten der Kundgebung in Braunschweig an.
Unter dem Motto „Erinnern heißt kämpfen – Opfer rechter Gewalt haben Namen und Geschichten“, hatte das Braunschweiger „Bündnis gegen Rechts“ im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus am 27. März zu einer Kundgebung auf dem Schlossplatz aufgerufen. Trotz widrigen Wetters hatten sich mehrere hundert Antifaschist*innen versammelt, denen Bündnissprecher Sebastian Wertmüller für ihr Kommen dankte.
Denn Braunschweig habe sich in den letzten Monaten zu einem „echten Hotspot“ von Neonazi-Aktivitäten entwickelt. Dazu gehörten AfD-Landes- und Bundesparteitage, wiederholte Aufmärsche und Kundgebungen von Nazi-Kleinparteien und ständige Angriffe gegen bekannte Antifaschist*innen, denen die Behörden relativ „gelassen“ zusähen.
Auch an diesem Samstag hatte die Nazipartei „Die Rechte“ wieder zu einer Kundgebung am Hauptbahnhof mobilisiert, gegen die knapp 100 Antifaschist*innen vor Ort protestierten. Ihr Demonstrationszug traf im Laufe der Kundgebung auch auf dem Schlossplatz ein und wurde mit großem Beifall begrüßt!
In Redebeiträgen machten u.a. Daniela Nowak, Betriebsrätin im Volkswagenwerk Braunschweig und Schüler*innen der IGS Sally Perel, AG „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ auf den alltäglichen Rassismus aufmerksam und forderten zu Engagement und Wachsamkeit auf. Denn mit Gleichgültigkeit habe es auch damals angefangen, so der Namensgeber der Schule, der Autor der Biografie „Ich war Hitlerjunge Salomon“, Sally Perel, der im Dezember 2019 auf der großen Kundgebung gegen den AfD-Bundesparteitag in Braunschweig gesprochen hatte.
Mit einer guten Aktion in der Porschestraße machte das Frauenzentrum Wolfsburg auf den diesjährigen Internationalen Frauentag aufmerksam: Eine „Historische Frauen-Kostümgruppe“ verteilte Rosen an Passantinnen. Unter ihnen die linke Frauenrechtlerin und Kommunistin Clara Zetkin (Foto). Auf einem Infotisch mit dem Banner „Internationaler Frauentag“ wurden weitere Informationen zur 110jährigen Geschichte des Internationalen Frauentages in Aufstellern angeboten. Eine Flyerverteilung hatte die Stadtverwaltung wegen der Pandemie untersagt.
Unter den Infos auf dem Stand war auch der neueste Infobrief der FIR mit dem Schwerpunkt „Teilnahme von Frauen am antifaschistischen Widerstand“ erhältlich. Dieser Frauen-Widerstand wird leider nicht immer genügend gewürdigt. Umso erfreulicher, dass in Wolfsburg auf ihn hingewiesen wurde. Nachfolgend kann der Infobrief nachgelesen werden.
Seit 100 Jahren: 8. März als Internationaler Frauentag
Seit der II. Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen 1921 wird der 8. März als Internationaler Aktionstag für die Gleichberechtigung von Frauen begangen. Schon 1910 hatte auf Vorschlag von Clara Zetkin der Internationale Frauenkongress in Stuttgart einen jährlichen Agitationstag für das Frauenwahlrecht beschlossen. Dies wurde mit der Oktoberrevolution in Russland und der Novemberrevolution in Deutschland in zahlreichen Ländern verwirklicht. Im Gedenken an den Streik der Petrograder Frauen 1917, dem Auftakt der Februarrevolution, wurde 1921 der internationale Frauentag nun auf den 8. März festgelegt.
Die FIR und ihre Mitgliedsverbände nehmen dieses Datum zum Anlass, um an den großartigen Beitrag der Frauen in allen Ländern zum antifaschistischen Widerstandskampf zu erinnern. Ihre Rolle war so vielfältig, wie das politische Leben des Widerstandskampfes. Nur einige wenige Beispiele seien genannt:
Jeder kennt die großartige Frau der spanischen Republik, Dolores Ibárruri Gómez genannt La Pasionaria. Sie war Präsidentin der spanischen Cortes. Mit ihren Reden brachte sie viele Spanier, insbesondere Frauen, auf die Seite der Republikaner. Von ihr stammt die Parole „¡No pasarán!“ („Sie werden nicht durchkommen!“). Sie musste 1939 ins Exil gehen und kehrte erst 1977 – politisch ungebrochen – nach Spanien zurück. Frauen kämpften in den Reihen der bewaffneten Partisanenverbände. In den Partisanengruppen der albanischen und jugoslawischen Befreiungsarmeen gab es eigene Frauen-Bataillone. Auch in der Sowjetunion kämpften Frauen in den Reihen der Partisanen. Die wohl bekannteste Figur ist Zoia Kosmodemjanskaja. Nach erfolgreichen Einsätzen hinter der Front wurde sie im Alter von 18 Jahren verhaftet, gefoltert und am 29. November 1941 öffentlich hingerichtet. Als dies bekannt wurde, schrieben sowjetische Soldaten auf ihre Bomben und Panzer auf dem Vormarsch nach Westen: „Für Zoia“. Der jüdische Dichter Hirsch Glik setzte der Litauer Partisanin Vitka Kempner in dem Lied „Schtil, di nacht is ojsgeschternt“ ein künstlerisches Denkmal. In allen illegalen Strukturen der Widerstandsorganisationen waren Frauen beteiligt. Auch in der Etappe, in der Verbreitung von antifaschistischem Material und in der Versorgung war ihre Rolle bedeutend. Außerdem erledigten sie Aufgaben, die für Männer unmöglich waren. So nahmen z.B. im besetzten Frankreich Frauen gezielt Kontakte zu Besatzungssoldaten auf, um Informationen für die kämpfenden Einheiten des Maquis zu bekommen. Und wir vergessen nicht die vielen tausend Frauen, die nicht allein im KZ Ravenbrück, sondern in den zahllosen Außenlagern aller KZ und als Zwangsarbeiterinnen vom faschistischen Regime ausgeplündert, misshandelt und ermordet wurden.
Diese verdienstvolle Rolle der Frauen im antifaschistischen Kampf wurde in den vergangenen Jahrzehnten nicht immer in der gebührenden Form gewürdigt. Umso wichtiger ist es, dass wir in der heutigen Zeit – und insbesondere in der Weitergabe der Geschichte des antifaschistischen Widerstands der Völker – die Rolle aller Frauen für das gemeinsame Handeln deutlich machen.
Antifaschismus ist keine Frage des Geschlechts. Aber es gehört zu den Grundlagen antifaschistischer Überzeugung, für eine vollständige Gleichberechtigung und die Würdigung des bedeutenden Beitrags von Frauen im antifaschistischen Handeln damals und heute einzutreten.
In diesem Sinne gratulieren wir allen Frauen zum 100. Jubiläum des Internationalen Frauentags, wünschen ihnen „Brot und Rosen“ und versichern ihnen, dass dieser Tag für die FIR und ihre Mitgliedsverbände eine Verpflichtung für heute und morgen darstellt.
Zur Erinnerung an das Massaker in Hanau vor einem Jahr, bei dem 9 Menschen ‚mit Migrationshintergrund‘ vor und in einer Shisha-Bar ermordet wurden, hatten die SJD Die Falken, Gruppe Wolfsburg, zu einer Demonstration und Kundgebung eingeladen. Ca 40 überwiegend junge Antifaschistinnen und Antifaschisten, darunter auch Mitglieder der VVN-BdA Wolfsburg, versammelten sich dazu vor dem Wolfsburger Hauptbahnhof (siehe Bild).
Nach einem Auftakt-Redebeitrag der Falken, bei dem die Namen der Getöteten verlesen wurden, zog die kleine Demonstration hinter einem Frontbanner mit den Gesichtern und Namen der Opfer zum Rathaus. Bei der Abschlusskundgebung auf der Rathaustreppe kamen mehrere unterstützende Organisationen zu Wort, darunter Verdi und die Jusos Wolfsburg.
Auch die VVN-BdA Wolfsburg war vom Veranstalter um einen Beitrag gebeten worden. Dieser wurde von Mecki Hartung, Landessprecherin der VVN-BdA Niedersachsen, und Bastian Zimmermann, VVN-BdA-Mitglied und OB-Kandidat für die Wahl im September, gemeinsam vorgetragen. Im Widerspruch zur These vom „verrückten Einzeltäter“ betonten sie den rassistischen Kontext, in dem diese Bluttat gesehen werden muss. Das bekräftigte Mecki Hartung zusätzlich durch die Verlesung eines kurzen Beitrages, den die Ehrenvorsitzende der VVN-BdA, Esther Bejarano, mit Bezug auf das Hanau-Massaker formuliert hatte. Die Ansprache von Mecki und Bastian kann unten gelesen werden.
Mit einer Rede des Landesvorsitzenden der Falken aus Göttingen, der allen Anwesenden für ihr Engagement und der Wolfsburger Falkengruppe für diese Veranstaltung dankte, ging die Gedenkveranstaltung mit einer Schweigeminute zu Ehren der Getöteten in Wolfsburg zu Ende.
Rede von Mecki Hartung, Landessprecherin der VVN-BdA Niedersachsen
Liebe Freundinnen und Freunde,
wir sprechen im Namen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten – VVN-BdA. Wir beklagen heute ein neofaschistisches Massenverbrechen! In Hanau ermordete der 42-jährige Tobias Rathjen 9 Menschen in und vor 2 Shisha-Bars in der Innenstadt. Der Täter hatte seine extrem rechte Gesinnung wenige Tage zuvor in einem Bekenner-Video auf „youtu.be“ deutlich gemacht, wo er sich in einer „persönlichen Botschaft an alle Amerikaner“ gewandt hatte. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fand die Polizei ein Bekennerschreiben, das von extrem rechten Ansichten geprägt ist. So behauptete er unter anderem, dass bestimmte Völker vernichtet werden müssten, deren Ausweisung aus Deutschland nicht mehr zu schaffen sei.
Das war innerhalb von wenigen Monaten nach dem Anschlag von Halle/S. auf eine Synagoge, die mit dem Mord an einer Passantin und einem Besucher einer Dönerbude endete, die zweite Gewalttat mit neofaschistischem Hintergrund. Es verstärkt sich ein politisches Klima des Hasses und der Gewaltbereitschaft, was durch politische Kräfte nicht nur in den Medien, sondern auch in den politischen Kampagnen der AfD massiv gefördert wird. Jetzt wird wieder von einem „Einzeltäter“ gesprochen, weil der Täter nicht Mitglied oder Aktivist einer neofaschistischen Organisation war. Das verdrängt, dass es die neofaschistischen Organisationen und Netzwerke sind, die den Boden für solche Formen individueller Gewalt bereiten. Die Mordtat von Hanau zeigt: wir brauchen ein antifaschistisches politisches Klima in diesem Land, so dass Rassisten keinen Nährboden für ihre Gewaltvorstellungen finden. Nur so sind solche Massenverbrechen wirksam zu verhindern. Wir wollen als VVN-BdA ein deutliches Zeichen setzen: Rassistische Gewalt darf keinen Platz in dieser Gesellschaft haben!
Wir sind bestürzt über diese Bluttat und trauern mit den Angehörigen. Gleichzeitig teilen wir in vollem Umfang ihre Anklage gegen Polizei, Geheimdienst, Justiz und Politik. Wir fordern restlose Aufklärung!
Die 96-jährige Esther Bejarano, Auschwitz-Überlebende und Mitglied unseres Ehrenpräsidiums, sagt in ihrer Botschaft anlässlich des heutigen Tages: „Diese menschenverachtende Ideologie hat auch Menschen meiner Familie getötet. Es ist grausam zu sehen, wie Rassistinnen und Rassisten wieder – oder besser – immer noch – morden und zerstören. Behörden relativieren und Medien spielen die Gefahr rassistischer Netzwerke runter. Schlimmer noch: einige Beamtinnen und Beamte sind Teile dieser Netzwerke. Betroffene werden stigmatisiert und kriminalisiert. Aber: WIR werden dagegen aufstehen. Denn: Würdiges Gedenken heißt KÄMPFEN!“
Gemeinsam haben die SJD Die Falken Gruppe Wolfsburg und die VVN-BdA Wolfsburg am 27. Januar 2021 an die Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee erinnert.
Bei einer Mahnwache auf der „Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus“ an der Werderstraße erinnerte Mechthild Hartung von der VVN-BdA daran, dass noch im Sommer 1944 VW-Werksleiter Porsche ungarische Jüdinnen und Juden von einem Werksbeauftragten in Auschwitz zur Fronarbeit aussuchen ließ. „Die Erinnerung an die Verbrechen in Auschwitz darf nicht enden und muss für die heutigen Generationen zur Wachsamkeit gegen alle Tendenzen mahnen, die zu Auschwitz geführt haben. Rassistische und antisemitische Übergriffe bis zu Mordanschlägen und Morden empören uns zutiefst“, so Hartung. Vor diesem Hintergrund seien erneute Versuche, antifaschistische Arbeit zu kriminalisieren, wie jüngst von Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) angekündigt, in Gänze zurück zu weisen. (siehe die Erklärung „Antifaschismus lässt sich nicht verbieten“ unter http://niedersachsen.vvn-bda.de). Die Rede von Mechthild Hartung kann unten gelesen werden.
Auch die beiden Redner*innen der Falken wiesen auf die bedrückende „Normalität“ von Nazi-Provokationen und -angriffen hin. Gerade erst war das Falkenbüro in Braunschweig davon erneut betroffen (siehe „Naziangriffe nehmen zu“ auf der Internetseite der VVN-BdA Niedersachsen). Die Wolfsburger Falken lassen sich davon aber nicht einschüchtern. Sie fordern dazu auf, sich gemeinsam zu organisieren, an einem Strang zu ziehen und dem Faschismus entschlossen entgegen zu treten. Dies sei die höchste Priorität. Die Sprecherin der Falken betonte, dass die Folgen der nicht durchgeführten Entnazifizierung deutlich spürbar seien. Hierfür zählte sie einige Beispiele auf wie die Verbindungen von Bundeswehr und Polizei zur rechtsextremen Szene, antisemitische Hetze bei Pandemieleugner*innen und rechten Gewalttätern.
Mit einer eindrucksvollen, lebendigen Aktion am Mahnmal bereicherten die Falken die Gedenkfeier ideenreich (siehe Foto).
Zwei Antifaschist*innen trugen zum Abschluss das „Moorsoldatenlied“ vor, das von dem eindrücklichen Summen vieler Anwesender begleitet wurde. So endete diese – trotz Pandemieauflagen organisierte – gelungene Erinnerungsfeier würdig. Fotos: M. Hartung
Rede von Mechthild Hartung, VVN-BdA
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Antifaschist-Innen,
am 27. Januar 1945 wurde Auschwitz von der Roten Armee befreit. Das Lager war Teil des Mordsystems des deutschen Faschismus und ist seither Symbol für das singuläre Menschheitsverbrechen des Holocaust an den Juden.
Noch im Sommer 1944, als die Welt schon brannte, schickte Porsche einen Volkswagen-Sachverständigen nach Auschwitz, um dort arbeitsfähige ungarische Jüdinnen und Juden für Fronarbeit aussuchen zu lassen!
Auschwitz steht auch für alle anderen Menschen, die der Faschismus verfolgte und vernichtete, oder die er noch vernichten wollte: Menschen im Widerstand, Sinti, Roma, Menschen mit Einschränkungen, sowjetische Kriegsgefangene. 27 Millionen Sowjetbürger_Innen starben als Opfer des faschistischen Krieges. In den Vernichtungslagern wurden etwa 5 Millionen Sowjetische Kriegsgefangene zu „Untermenschen“ degradiert, versklavt und größtenteils ermordet. Die Erinnerung darf nicht enden und muss für die heutigen Generationen zur Wachsamkeit gegen alle Tendenzen mahnen, die zu Auschwitz geführt haben. Rassistische und antisemitische Übergriffe bis zu Mordanschlägen und Morden empören uns zutiefst.
Deshalb engagieren wir uns aktiv im Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Rechtsentwicklung, Neofaschismus und soziale Ungleichheit.
Gleichzeitig fällt Innenminister Boris Pistorius nichts Besseres ein, als ein Verbot von Antifagruppen prüfen zu wollen.
Die Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald schworen bei der Befreiung des Lagers am 19. April 1945:
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“
Schon sie wussten, dass nicht nur der deutsche Faschismus besiegt, sondern auch eine andere Welt erkämpft werden muss. Würden die Überlebenden des KZ Buchenwald heute auch als “Linksextreme” bezeichnet und verfolgt?
Der Versuch der Kriminalisierung von antifaschistischer Arbeit ist das Gegenteil von dem, was unsere Gesellschaft braucht:
– Wir brauchen Ermutigung und Unterstützung – auch finanziell – zur Entwicklung von Gegenwehr da, wo rechtes Gedankengut greift und in Taten umschlägt.
– Wir brauchen eine starke Zivilgesellschaft, die sich antifaschistisch engagiert und sich rechten Ideologien entschlossen entgegen stellt.
– Wir brauchen weiterhin die Arbeit antifaschistischer Aktivist*innen, die mit ihren Recherchen maßgeblich zur Aufklärung rechter Anschläge und Aufdeckung rechter Netzwerke beitragen.
Nachdem die Jury einen der 15 Entwürfe für einen Lern- und Gedenkort eruiert hatte, wandte sich nun die „Amicale Internationale KZ Neuengamme“ (AIN) mit Dank an OB Mohrs. Zur Erinnerung: Die VVN Wolfsburg hatte 2017 den Sohn eines leider in Wöbbelin verstorbenen KZ Laagberg – Häftlings, Jean-Michel Gaussot, gebeten, zu der geplanten Überbauung des authentischen KZs Stellung zu nehmen. Der umgehend publizierte Offene Brief von Jean-Michel Gaussot bewirkte sofortigen Baustopp und in der Folge letztlich zwar die Verlagerung der baulichen Relikte, aber auch den Ratsbeschluss für den Bau eines Lern- und Erinnerungsortes. Der aktuelle Brief erreichte auch die VVN Wolfsburg. Dort heißt es:
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
die Amicale Internationale KZ Neuengamme hat in den vergangenen Monaten die Entwicklung des neuen Gedenk- und Lernorts zum ehemaligen Außenlager des KZ Neuengamme am Laagberg in Wolfsburg verfolgt. Wir möchten Ihnen persönlich und allen Beteiligten der Stadt, dem Institut für Zeitgeschichte und Stadtrepräsentation sowie den engagierten Initiativen und Verbänden, vor allem der VVN Wolfsburg, unseren herzlichen Dank für das bisher Erreichte aussprechen. …“ Der vollständige Brief ist hier zu lesen: …
Die VVN-BdA Wolfsburg hatte zum Aktionstag der Initiative „Abrüsten statt Aufrüsten“ aufgerufen. Am 4.12. protestierten daraufhin etwa 30 WolfsburgerInnen vor den Büros der Bundestagsparteien gegen die geplante weitere Steigerung der Rüstungsausgaben im nächsten Bundestagshaushalt. Sie forderten konkret die beiden Wolfsburger MdBs – Pia Zimmermann (Die Linke) und Falko Mohrs (SPD) – auf, gegen die Erhöhung zu stimmen.
Besonders erfreulich war die Teilnahme einer großen Gruppe junger Menschen von der Ortsgruppe der SJ Die Falken. In einem erfrischend kämpferischen Redebeitrag forderten sie gleich noch die Abschaffung der Bundeswehr – „Wer braucht die eigentlich“?
Nico Limprecht, Sekretär von ver.di, wies auf die riesigen Probleme im Sozialbereich hin, die bei Einsparung der Rüstungsmilliarden angegangen werden könnten. „Das von der NATO beschlossene 2%-Ziel für die Rüstungsausgaben am Sozialprodukt wird die soziale Not noch vergrößern.“ Mechthild Hartung, Sprecherin der Wolfsburger VVN-BdA forderte „Schluss mit der schleichenden Militarisierung“, die sich u.a. durch beschönigende bombastische Werbung – auch auf städtischen Bussen – der Bundeswehr als Helfer und Ausbilder zeige; Uniformierte in Zügen, im Stadtbild und im Gesundheitsamt sollen Normalzustand werden? Wirt sagen „Nein!“. Die Falken-Gruppe lud sie freudig zur weiteren Zusammenarbeit ein.
Die Protestkundgebung wurde durch kulturelle Beiträge des Rezitators, Dichters und Liedermachers Johann Voß aus Helmstedt bereichert. Seine aktuellen Texte zu den Schrecken der Kriege gingen unter die Haut.
Die beiden MdB’s hatten aus Termingründen ihre Beteiligung abgesagt und ließen Stellungnahmen verlesen. Während Pia Zimmermann die Rüstungserhöhungen generell ablehnen wird, verwies Mohrs auf gute Initiativen der SPD-Fraktion für die Einschränkung von Rüstungslieferungen an Nicht-NATO-Staaten; zu seinem Abstimmungsverhalten äußerte er sich nicht.
Der Imam des Islamischen Kulturzentrums in Wolfsburg fand am Tag vor Weihnachten eine erschreckenden „Gruß“ in seinem privaten Briefkasten: Auf einem Zettel in dem unfrankierten Briefumschlag standen sein Name und die Worte „Du wirst bald hier sein“ und „Dreckig“, darunter war das Foto eines Sarges abgebildet.
Der Täter habe sich offensichtlich die Mühe gemacht, die private Anschrift des Imams herauszufinden und den Brief persönlich bei ihm einzuwerfen, erklärte Djemai vom Vorstand des Kulturzentrums. „Die Adresse vom Imam ist nicht öffentlich bekannt, zumal er erst seit Kurzem dort wohnt.“ Man nehme die Drohung entsprechend ernst und habe sich nach Anzeige am Montag, den 27.12., auch an die Öffentlichkeit gewandt. „Wir appellieren an alle Bürgerinnen und Bürger, dass sie aufmerksam sind und dass sie zu diesen Taten nicht schweigen“, so Djemai in einer Presseerklärung.
Die Wolfsburger VVN-BdA hat sich noch am 27.12. mit folgender Solidaritätserklärung an den Imam, das Islamischen Kulturzentrums und an die Wolfsburger Presse gewandt:
Sehr geehrter Imam Hajlaoui, 28.12.2020
hiermit möchten wir unsere Solidarität mit Ihnen und der islamischen Gemeinde erklären. Wir sind empört über die Morddrohung, die Sie erhalten haben! Wir wünschen Ihnen viel Kraft, damit seelisch umzugehen!
Es ist richtig, dass Sie die Öffentlichkeit über diese neue Stufe der Rechtsentwicklung in unserer Stadt informieren und dass die Polizei eingeschaltet wurde. Der Hinweis auf die Wolfsburger Wahlergebnisse der AfD ist sehr wichtig, denn eine solche Morddrohung hat ihren Ursprung in lang anhaltender Hetze und Diffamierung.
Als Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen e.V. stehen wir in der Tradition des Widerstands gegen Rassismus, jegliches Unrecht, Ungleichheit und demokratiefeindliche Bestrebungen. Der Islam gehört wie alle Religionen zu unserer demokratischen Gesellschaft. Einen Angriff auf seine AnhängerInnen und VertreterInnen werden wir nicht wortlos dulden.
Wir schlagen vor, die Bedeutung der Morddrohung im ‚Schulterschluss Wolfsburger Demokraten‘ zum Thema zu machen.
Im Namen unserer Kreisvereinigung VVN-BdA e.V. verbleibe ich mit antifaschistischen Grüßen –
Mechthild Hartung“
Umgehend erhielt die VVN-BdA Wolfsburg am 29.12.2020 eine Antwort der Dankbarkeit:
Hallo Frau Hartung,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Anteilnahme. Ich werde dem Imam ihre Grüße und Anteilnahme ausrichten.
Auch wir halten diese Arbeit gegen den Rassismus, gegen jegliche Form des Extremismus und der Islamophobie für essenziell für ein friedliches Zusammenleben. Deswegen sind auch wir Bestandteil des Zusammenschlusses. Wir sind überwältigt von all der Solidarität die wir aus unserer Stadt erfahren haben. Wir glauben, dass wir in Wolfsburg eine starke und solidarische Gemeinschaft haben, trotz der letzten Morddrohung.
Gern können wir dieses und weitere Themen, wie Halle und Hanau im Rahmen des Zusammenschlusses behandeln.
Ich möchte mich nochmal recht herzlich im Namen des Islamischen Kulturzentrum Wolfsburgs bei Ihnen bedanken.
Mit freundlichen Grüßen – Mourtadha Djemai – 2. Vorsitzender
Wegen der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie ist der Beginn der diesjährigen Antifa-Woche der IG Metall Wolfsburg nur in kleinem Rahmen begangen worden. Statt der üblichen Auftaktkundgebung auf dem Sara-Frenkel-Platz legten am Samstag, den 7. November, die Geschäftsführer der IGM im Beisein von ca 20 Bürgerinnen und Bürgern nur still Kränze nieder. Dazu eingeladen beteiligten sich auch die Stadt Wolfsburg in Person des Oberbürgermeisters, die Vertrauenskörperleitung der IGM im VW-Werk und die VVN-BdA Wolfsburg mit Kranzniederlegungen an der Gedenkfeier. Die polnische Jüdin Sara Frenkel hatte sich als Krankenschwester um die den Zwangsarbeiterinnen weggenommenen Kleinkinder in den sog. „VW-Kinderpflegeheimen“ gekümmert. Durch spontanes gemeinsames Summen des „Moorsoldatenliedes“, das die Auftaktkundgebung seit vielen Jahren begleitet, erhielt die Veranstaltung einen würdigen und bewegenden Charakter.
Da auch die traditionelle Gedenkfeier der IGM auf dem Friedhof in Rühen abgesagt wurde, hatte die Wolfsburger VVN-BdA kurzfristig zu einem Treffen am Ort des ehemaligen sog. „Kinderpflegeheims“ in Rühen nach Abschluss der Wolfsburger Veranstaltung eingeladen. Dieser Ort war durch die Broschüre der VVN „Sterbelager Rühen“ wieder ins Bewusstsein geholt worden (https://wolfsburg.vvn-bda.de/2013/11/12/zum-sterben-geboren-im-lager-ruhen-das-lager-das-zum-sterbelager-wurde/). Dort hatte die VVN Wolfsburg gemeinsam mit dem IGM-Wohnbezirk Brome 2013 gegen Widerstand eine Gedenkplatte aufgestellt. Mit der Niederlegung eines Blumengestecks an der Gedenkplatte (Foto) und dem Vortrag des Gedichts von Johannes R. Becher „Die Kinderschuhe von Lublin“ hatte auch dieses kleine Gedenken an die ermordeten Kinder von Rühen einen würdigen Charakter.
Nachdem der damalige 1. Geschäftsführer der IG Metall Wolfsburg (größte IG Metall Geschäftsstelle in der BRD) im Dezember 2019 in einem persönlichen Brief an den Finanzminister Olaf Scholz „mit ungläubigem Erstaunen“ auf die Aberkennung der Gemeinnützigkeit reagiert hatte, wurde nun auf der Delegiertenversammlung am 8.9.2020 über eine bedeutende Erklärung einstimmig und ohne Enthaltung abgestimmt. Hier folgt die Resolution im Wortlaut:
An Herrn Finanzsenator Kollatz Klosterstraße 59 10179 Berlin
Resolution „Antifaschismus ist gemeinnützig“ der Delegiertenversammlung der IG Metall Wolfsburg, 8.9.2020
Sehr geehrter Herr Finanzsenator Kollatz,
mit Entsetzen hörten wir, dass das Finanzamt für Körperschaften 1 im rot-rot-grünen Berlin der VVN-BdA Bundesvereinigung die Gemeinnützigkeit entzogen hat und rückwirkend Steuernachforderungen in Höhe von fast 15.000 € verlangt. Mit der Bezugnahme auf die jährliche „Verrufserklärung“ unserer bayrischen Landesvereinigung durch den dortigen Inlandsgeheimdienst macht sich das Berliner Finanzamt diese zu eigen, um die älteste und größte antifaschistische Organisation in Deutschland in ihrer materiellen Existenz zu bedrohen. Der uns gut bekannte Exekutiv Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, erklärte dazu: „Die VVN ist 1947 von jüdischen und nicht-jüdischen Überlebenden der Konzentrationslager und Folterkeller der Nazis gegründet worden. Von Beginn an und bis heute haben sich alte und junge Mitglieder der VVN/BdA vor allem gegen den immer massiver zurückkehrenden Rechtsextremismus und Antisemitismus positioniert. Dass diese Organisation in Zeiten alltäglicher rechtsextremer Auswüchse und Bedrohungen aus der Gemeinschaft der Demokraten in Deutschland hinausgeworfen und in ihrer Existenz bedroht wird, ist für Überlebende der Konzentrationslager ein Skandal, der Deutschlands Ansehen beschädigt und das gemeinsame europäische Engagement gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus erheblich schwächt.“
Wir kennen die Wolfsburger Kreisvereinigung der VVN-BdA als einen verlässlichen Partner bei allen Aktivitäten gegen das Erstarken der neofaschistischen Kräfte und für die Stärkung der Demokratie in unserer Region. Sie ist ein wichtiger Akteur bei der Erinnerungsarbeit an die Wolfsburger Geschichte im Faschismus und beteiligt sich seit vielen Jahren aktiv und ideenreich an der jährlichen Antifa-Woche der Wolfsburger IG Metall. Wir protestieren daher gegen die Entscheidung des Berliner Finanzamts. Wir sehen die Politik und besonders Sie in der Verantwortung, diese Entscheidung zu überprüfen und ihre Korrektur zu veranlassen. Alles andere wäre ein fatales Signal.
Am 10.9. haben der Deutsch-Arabische-Freundeskreis (DAF) und die VVN-BdA Wolfsburg ihren Antifaschistischen Stadtrundgang mit der Erkundung des Standortes des ehemaligen KZ Laagberg fortgesetzt. Gerade für Menschen mit Migrationshintergrund (z.B. Tunesier) und erst kurze Zeit in Wolfsburg lebende Geflüchtete ist diese Auseinandersetzung mit der „dunklen Geschichte Wolfsburgs“ wichtig. Deshalb war besonders die Teilnahme einer Sprachlerngruppe der VHS mit ihrer Deutschlehrerin sehr erfreulich. Auch 3 hier geborene Interessierte waren der Ankündigung in der örtlichen Presse gefolgt. Die Wolfsburger VVN-Vorsitzende Mechthild Hartung erzählte an der erst 1987 errichteten Stele an der Breslauer Straße von dem langen Kampf Wolfsburger Antifaschistinnen und Antifaschisten um die Erinnerung an dieses KZ auf dem Laagberg. Denn mit dem Abriss der KZ-Baracken Anfang der 1960er Jahre war dessen Existenz völlig aus dem Gedächtnis der Stadtbevölkerung verdrängt worden. Erst die Besuche von ehemaligen französischen Häftlingen, organisiert in der Gruppe „Amicale de Neuengamme“ mit ihrem Sprecher Maurice Gleize, ermöglichten die Errichtung der Stele. Mit einer kleinen anschaulichen Installation machte Mechthild Hartung besonders die Schrecken der Lagerräumung mit anschließendem Todesmarsch im April 1945 deutlich. Die Niederlegung von roten Nelken war den sichtlich betroffenen Teilnehmenden ein Anliegen. Die Gruppe ging anschließend zu dem provisorischen Zelt auf der anderen Straßenseite, in dem die Fundamentreste der KZ-Baracke 4 aufbewahrt sind. Hier erläuterte Mechthild Hartung die erneuten Auseinandersetzungen um das Gedenken an dieses ehemalige KZ, dessen relativ gut erhaltenen Fundamente 2017 bei Bauarbeiten für ein Einkaufszentrum freigelegt wurden. Die VVN-BdA Wolfsburg hatte sich mit anderen Wolfsburger AntifaschistInnen und dem Sohn eines Todesmarschopfers für deren Erhalt und die Sichtbarmachung am historischen Ort eingesetzt. Aber die kommerziellen Interessen waren stärker. Als Kompromiss beschloss der Wolfsburger Stadtrat dann die Errichtung eines Lern- und Gedenkortes an dem Platz zwischen Lidl-Markt und Tankstelle. Bis Ende diesen Jahres wird der Rat die Entscheidung über deren endgültige Ausgestaltung fällen. Der Stadtrundgang endete mit einem Besuch der originalen Fundstelle der Fundamentreste, die nun nahezu völlig vom Einkaufszentrum bedeckt ist. Nur eine farbige Pflastermarkierung weist auf die Mauern der ehemaligen KZ-Baracke hin. Eine junge Teilnehmerin äußerte spontan: „Das ist ja fast ein neues Verbrechen“. Die Lehrerin der Sprachlerngruppe bedankte sich ausdrücklich für diesen „besonderen Geschichtsunterricht“. Sie hofft, auch andere Lehrkräfte an der VHS für diese Erinnerung an die „dunkle Geschichte Wolfsburgs“ interessieren zu können. Die VVN-BdA Wolfsburg wird dabei gerne behilflich sein.