Aleksandr durfte nur 6 Tage alt werden

28. November 2023

Wolfsburg: Neue Gedenktafel für ermordete Kinder

Das Volkswagenwerk in Wolfsburg hat im Faschismus unter seinen Geschäftsführern Porsche und Piech massenhaft Zwangsarbeiter*innen und KZ-Häftlinge, vor allem aus der Sowjetunion und Polen für seine Rüstungsproduktion eingesetzt. Wurden Babys von den meist jungen Zwangsarbeiterinnen geboren, so wurden sie den Müttern bereits nach wenigen Tagen entrissen, damit diese wieder uneingeschränkt für die Produktion zur Verfügung standen.

Die Babys wurden in sogenannten „Ausländerkinder-Pflegeheimen “ des Volkswagenwerkes erst in der damaligen „KdF-Stadt“ und später, nach Unruhen unter den Müttern, im nahen Rühen untergebracht. Dort starben sie aufgrund von mangelhafter Ernährung und katastrophalen hygienischen Verhältnissen oft schon nach kurzer Zeit (wir berichteten mehrfach). Zum Beispiel starb der kleine Aleksandr bereits nach sechs Tagen, exakt am Tag des Gedenkens vor 79 Jahren (Aleksandr Nenko, 15.11.1944 – 21.11.1944).

An der Stelle des „Pflegeheims“ steht im heutigen Wolfsburg eine Berufsschule. An deren Eingang hatte 2013 die VVN-BdA Wolfsburg gemeinsam mit der IG Metall Wolfsburg und der Schulleitung eine Gedenktafel, bestehend aus Relief und erklärender Texttafel, angebracht, die erstmals an das schreckliche Schicksal der Kinder an dieser Stelle erinnerte. Sowohl Relief als auch die Inschrift waren seit damals mehrmals beschädigt und beschmiert worden.

Am 22.11.2023 haben die drei Organisationen nun die erneuerte Texttafel der Öffentlichkeit übergeben (Foto mit Schülern). Die Wolfsburger VVN-BdA-Vorsitzende Mechthild Hartung erklärte dabei: „Ich freue mich, dass heute viele Jugendliche vor Ort sind, die den Staffelstab der Erinnerung und Mahnung, den wir einst von den Überlebenden aus den Konzentrationslagern erhalten haben, hoffentlich weitertragen werden. Jetzt, da rechtes Gedankengut wieder immer stärker um sich greift, ist das wichtiger denn je. Wir müssen viele verschiedene Formen finden – Demos, Bildung, sichtbare Erinnerungsarbeit, um Aufklärung und Widerstand zu verwirklichen.“

Alina Krull, Lehrerin für Politik und Wirtschaft, die mit zwei Kolleg:innen und gut 20 Schüler*innen zur Übergabe gekommen war, ist verantwortlich für das Netzwerk „Schule ohne Rassismus“ an der Berufsschule und will vor dem Hintergrund der dem Tod überlassenen Kinder nun verstärkt Themen der UN-Kinderrechtskonvention im Unterricht behandeln. Sie bedankte sich für den Klassensatz der VVN-BdA-Broschüre zu den beiden Kinderheimen, der bei der Behandlung des Themas hilfreich sein wird (siehe auch wolfsburg.vvn-bda.de/2013/11/12/zum-sterben-geboren-im-lager-ruhen-das-lager-das-zum-sterbelager-wurde).

Auch in den örtlichen Medien wurde die Übergabe der Gedenktafel an der Berufsschule anerkennend gewürdigt, vgl z.B. WAZ vom 22.11.23 und https://www.igmetall-wob.de/meldung/ig-metall-vvn-bda-und-bbs-i-erinnern-an-tote-kinder-in-ns-kinderheim. Text und Fotos: Alfred Hartung

IGM-Antifa-Woche: Antifaschismus bleibt Auftrag

12. November 2023

Foto: M. Hartung

Zum zweitem Mal nach der Corona-bedingten Pause hat die Wolfsburger IG Metall in der Woche um den 9. November wieder ihre traditionelle Antifa-Woche durchgeführt.

Sie startete am Samstag, den 4.11., mit einer Kundgebung und Kranzniederlegung am Sara-Frenkel-Platz. Trotz widrigen Wetters nahmen zahlreiche Kolleg*innen teil. Der 1. Geschäftsführer der IGM, Flavio Benites, begrüßte in seiner Rede auch eine Delegation der Metallgewerkschaft aus Italien. In diesem Zusammenhang betonte er, dass für die Gewerkschaften in ganz Europa Antifaschismus ein wichtiger Auftrag bleibt, um die bedrohliche Rechtsentwicklung in mehreren europäischen Ländern aufzuhalten.

Bewegend war das Grußwort der Namensgeberin des Platzes, die demnächst 101 Jahre alt wird. Auf Grund ihres hohen Alters konnte sie den Weg aus Antwerpen nach Wolfsburg nicht mehr leisten. Zuvor hatte sie wiederholt an dieser Auftaktkundgebung zur Antifa-Woche teilgenommen. Sie dankte in ihrem verlesenen Grußwort der IG Metall und den Anwesenden für ihre Aktivitäten.

Auch die VVN-BdA Wolfsburg legte am Mahnmal für die 20.000 Zwangsarbeiter*innen ein Blumengebinde nieder (siehe Foto 1). Der IG Metall-Chor „Gegenwind“ begleitete die Kundgebung mit antifaschistischen Liedern.

Gedenkstunde auf Friedhof

Am folgenden Sonntag fand auch wieder die Gedenkstunde der IG Metall auf dem Friedhof in Rühen statt, auf dem mehr als 300 Babys und Kleinkinder begraben sind. Sie waren im sogenannten „Ausländerkinderpflegeheim“ des Volkswagenwerkes jämmerlich zu Tode gekommen.

Sara Frenkel hatte in den 80-er Jahren des letzten Jahrhunderts mit dafür gesorgt, dass diese Massengrabstätte in einen gepflegten Zustand kam. Besonders eindrucksvoll waren die Beiträge der Konfirmandengruppe von Propst Dr. Ulrich Lincoln aus Vorsfelde. Die Jugendlichen zitierten u.a. aus den Erinnerungen von Frau Frenkel zu den Zuständen im „Ausländerkinderpflegeheim“, die in der VVN-Broschüre zu Rühen nachgelesen werden können (wolfsburg.vvn-bda.de/2013/11/12/zum-sterben-geboren-im-lager-ruhen-das-lager-das-zum-sterbelager-wurde/).

Auch hier legte die VVN-BdA Wolfsburg im Rahmen der Gedenkstunde ein Blumengebinde nieder.

Blumen an Erinnerungstafel

Im Anschluss daran besuchte die VVN-BdA auch die Erinnerungstafel am Ortseingang von Rühen, wo sich das „Ausländerkinderpflegeheim“ befand, und legte auch dort ein Blumengebinde nieder. Diese Tafel hat die Wolfsburger VVN 2014 gegen lang anhaltenden Widerstand mit Unterstützung der IG Metall aufgestellt – siehe auch dazu die oben genannte VVN-BdA-Broschüre. Die Broschüre kann in geringer Anzahl von der VVN-BdA Wolfsburg bezogen werden.

Foto: M. Hartung

Die Wolfsburger Antifaschist*innen überlegen zur Zeit, wie an diesem authentischen Ort die Namen der kleinsten Opfer des Naziterrors sichtbar gemacht werden können, um sie dem Vergessen zu entreißen. Möglich wäre – z..B. zusammen mit Schüler:innen der Haupt- und der Realschule Rühen – die Teilnahme am Tontafelprojekt des VDK obs-soltau.de/tontafel-projekt-wir-schreiben-eure-namen/ . „Weitere gute Vorschläge sind herzlich willkommen“, so Mechthild Hartung, Vorsitzende der VVN-BdA Wolfsburg. Alfred Hartung

Pelerinage zum ehemaligen KZ Laagberg

5. November 2023

Das Gesteck der AIN vor dem Zelt.
Foto: Mecki Hartung

Am 26.10. besuchte eine französische Delegation mit 41 Menschen zum zweiten Mal im Rahmen einer Gedenkfahrt (Pelerinage) das ehemalige KZ Laagberg. Die in der Amicale Internationale de Neuengamme (AIN) organisierten Nachkommen von französischen und belgischen KZ-Opfern fuhren dabei zu mehreren Orten, an denen KZ – Häftlinge leiden mussten und in der Mehrzahl umgekommen sind.

Die AIN unter ihrem damaligen Vorsitzenden Jean-Michel Gaussot hatten sich stark für die Errichtung des Mahn- und Gedenkortes am Laagberg engagiert (wir berichteten damals ausführlich). Gaussot ist der Sohn eines französischen Häftlings, der auf dem Todesmarsch vom Laagberg nach Wöbbelin umgekommen ist. Er hatte 2017 Wolfsburg auf Einladung der VVN-BdA besucht und mehrere Gespräche mit jungen Wolfsburger*innen und Politiker*innen geführt.

Der heutige AIN-Präsident Jean-Michel Clère zeigte sich enttäuscht, dass die Errichtung des Gedenkortes am Laagberg nicht voran geht. „Wir hätten Jean-Michel Gaussot gerne eine bessere Botschaft aus Wolfsburg mitgebracht“, so Clère. „Wir sind dankbar, dass sich hier in Wolfsburg Antifaschistinnen und Antifaschisten dafür engagieren, dass die Erinnerung an die Gräuel nicht verloren geht.“

Die Wolfsburger VVN-BdA Vorsitzende Mecki Hartung versprach ihm, dass die VVN weiter nicht nachlassen werde auf den baldigen Baubeginn zu drängen. „Dafür muss trotz der geringer gewordenen finanziellen Mittel gegenüber 2017, als der Ratsbeschluss zum Bau des ‚Lern– und Erinnerungsortes‘ gefasst wurde, Geld zur Verfügung stehen. Nicht nur z.B. für touristische ‚Highlights‘ in der Fußgängerzone. Das ist eine Frage der Prioritätensetzung.“

Sie und die Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS), Placenti-Grau, berichteten von den bisherigen Restaurationsarbeiten der Stadt und der Aufbewahrung der Fundamentreste im Zelt (siehe Fotos). Alfred Hartung

Pelerinage zum ehemaligen KZ Laagberg.
Foto: Angela Brandes

Kämpferische Antifa-Demo in Wolfsburg

23. August 2023

Lea Broedermann

Auf Initiative der SJD Die Falken Wolfsburg und der „Grünen Jugend“ fand am Freitag, den 18. August, eine kämpferische Demonstration mit mehreren Kundgebungen in der Wolfsburger Innenstadt statt.

In ihrem Aufruf betonen sie: „Rechtes, spaltendes Gedankengut und faschistische Ideale leben nicht nur unbemerkt in Wolfsburg unter uns, sondern nun ist es so weit, dass sich diese Leute wieder trauen, Angst, Einschüchterungsversuche und Spaltung im öffentlichen Raum verbreiten zu können…. Lasst uns gemeinsam gegen rechts stellen und zeigen, dass wir mehr sind!“

Etwa 100, überwiegend junge Antifaschist*innen, hatten sich um 17.00 Uhr vor dem Rathaus versammelt und hörten die Auftaktrede der Falken. Zahlreiche Beispiele für rechte Schmierereien und Übergriffe wurden darin präsentiert, u.a. auf den Loud & Proud -Jugendtreff. Dann zog die Demo unter Mut machenden Parolen wie „Alle zusammen gegen den Faschismus“ und „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda!“ vor das nahe AfD-Büro an der Piazza Italia. Dort war die VVN-BdA Wolfsburg zu einem Redebeitrag eingeladen worden. Lea Broedermann wies darin auf die Nazi-Gründungsgeschichte der damaligen „Stadt des KdF-Wagens“ hin. Trotz der Lehren, die man aus den Verbrechen der Nazis ziehen muss, kam die rassistische, antidemokratische AfD bei den letzten Wahlen auch in Wolfsburg auf überdurchschnittliche Ergebnisse. Lea warb deswegen auch noch einmal um Beteiligung an den Protesten gegen den AfD-Landesparteitag am folgenden Tag, dem 19.8., in Celle.

Gerade in Zeiten des Sozialabbaus, der auch eine Folge der Politik der „Ampel-Regierung“ ist, ist die Gefahr durch die sozialrassistischen Parolen der AfD besonders drängend. Ihre Rede kann unten gelesen werden.

Der anschließende Demozug durch die belebte Fußgängerzone war erfreulich. Der lautstarke Demoruf „Siamo tutti antifascisti“ wurde mit Winken und zustimmenden Rufen von zahlreichen dort im Cafe oder auf den Ruhebänken sitzenden italienischen Bürger*innen kommentiert. Auch Autofahrer und ganze Tischrunden vor Restaurants klatschen – sie bekamen im Vorbeilaufen unsere 8. Mai-Karten. Das macht Mut und Spaß.

Auf dem Nordkopf am Ende der Fußgängerzone endete dann diese erfolgreiche Antifa-Aktion der Wolfsburger Jugend mit einer Abschlusskundgebung. Als VVN-BdA Wolfsburg bedanken wir uns bei den Falken und der „Grünen Jugend“ für die Initiative und freuen uns auf weitere gemeinsame Aktionen, wenn sie nötig sind. MH

Rede von Lea Broedermann

Hallo, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,

ich bin Lea Broedermann und spreche hier für die VVN-BdA, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Wolfsburg. Der eine oder die andere von Euch kennt mich vielleicht auch als Kreisvorsitzende der Partei DIE LINKE, Wolfsburg. Wir von der VVN-BdA Wolfsburg freuen uns, dass die Wolfsburger Falken und die „Grüne Jugend“ zu dieser Demonstration gegen Rechts aufgerufen haben. Die eng mit dem Hitler-Faschismus verbundene Geschichte dieser Stadt müsste eigentlich eine ausreichende Warnung gegen reaktionäre Rückfälle sein.

Wir wissen aber aus unserer antifaschistischen Erfahrung, dass gerade in Krisenzeiten wie heute autoritäre, rechte Entwicklungen eine ständig lauernde Gefahr darstellen. Die steigenden Zustimmungen zur Politik der AfD sind leider keine „Fakenews“ sondern sie sind real. Die hohen, über dem Landesdurchschnitt liegenden Wahlergebnisse für diese reaktionäre, rassistische Partei in unserer Stadt sind erschreckend: 12,5% erreichte die AfD in Wolfsburg bei den Landtagswahlen 2022!

Bereits am morgigen Samstag will die niedersächsische AfD mit ihrem Landesparteitag – ausgerechnet in Celle, am Ort des ehemaligen KZ Bergen-Belsen – die Grundlage für ihren weiteren Aufstieg legen. (Auf das Gebäude der Stiftung wurde in dieser Woche ein Anschlag verübt, nachdem in den Sozialen Netzwerken von Rechts dagegen gehetzt wurde, dass die Stiftung die Gegendemonstration offen unterstützt und zur Teilnahme aufruft. Die Geschäftsführerin wird sprechen.)

Die IG Metall Wolfsburg bietet morgen eine Mitfahrgelegenheit um 7.30 Uhr in einem Bus an, um hörbar und sichtbar in Celle zu protestieren. Sicher wird Platz für spontan Entschlossene von Euch sein. In diesem ganzen reaktionären Sumpf, der von der AfD befeuert wird, fühlen sich dann auch andere faschistische Kräfte ermutigt, wieder aus ihren Löchern zu kriechen. So wandte sich ein homosexueller Mensch in seiner Not an die VVN Wolfsburg, nachdem er in Detmerode übelst von Neonazis in eine Falle gelockt und körperlich von ihnen mit Baseballschläger bedroht und in eine gefährliche Situation in einem Treppenhaus gedrängt wurde. Er konnte zum Glück fliehen.

Leider ist die vielbeschworene „Brandmauer“ der bürgerlichen Parteien gegen Rechts verdammt löchrig und baufällig geworden. Der kürzliche Versuchsballon von Merz, dem CDU-Chef, zur Zusammenarbeit mit der AfD ist nur ein Beispiel. Auf kommunaler Ebene gibt es in mehreren Ländern schon erschreckend viele konkrete Fälle von Zusammenarbeit. Die von der regierenden Ampel-Koalition rasant verstärkte Aufrüstung, die auf Kosten der sozialen Absicherung für die sogenannten „kleinen Leute“ geht, verschlingt das Geld, das im Bildungs- und Sozialbereich dringend gebraucht wird.

Menschen, die sich zu Recht benachteiligt fühlen, sind anfällig für rechte Parolen. Schnell werden Sündenböcke wie Migrant*innen oder LGBTQ-Menschen gesucht. – Nicht mit uns!

Wir müssen für unsere Zukunftsinteressen selbst aktiv werden. Diese Demo heute ist ein gutes Beispiel, das ist genau der richtige Weg. Meine Organisation, die VVN-BdA, wird dabei immer gemeinsam mit Euch kämpfen und ihre langjährigen Erfahrungen im Kampf gegen Rechts mit Euch teilen. Wir stehen dafür: Siamo tutti antifascisti!!

Streik- statt Arbeitstag

24. Juli 2023

Heute ist kein Arbeitstag – heute ist – STREIKTAG!
Foto: M. Hartung

Man muss nicht politikverdrossen sein und eine bestimmte rechte Partei wählen, man kann auch für seine Rechte eintreten und selbst aktiv sein. Ein gutes Beispiel:

„Heute ist kein Arbeitstag, heute ist – Streiktag!“

So demonstrierten etwa 50 Beschäftigte der WBG und von n@twork zu den Rhythmen der IGMetall-Samba-Trommelgruppe durch die Porschestraße. Sie streikten den zweiten Tag, weil sie für ihre notwendige Arbeit z.B. in Flüchtlingsunterkünften, im Tierheim, im Sozialkaufhaus gerechtes Gehalt fordern. Sie bekommen etwa 25% weniger als andere Beschäftigte der Stadt. Auf dem Rathausvorplatz bekamen sie solidarische Unterstützung von „Wollino“-Beschäftigten und von einer Gruppe von Rathausmitarbeitern; auch Frau Angelika Jahns, stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der WBG, lobte die verantwortungsvolle, verlässliche Arbeit und sagte Unterstützung der Forderungen zu.

Frau Iris Bothe, die im Fall der „Wollino“- Beschäftigten (Essen in den Schulen) eine Verbesserung befürwortet hatte, die in den Verhandlungen zum Erfolg führte, sprach aufmunternd zu den Streikenden. Viel Ausdauer und Erfolg wünschte auch ein Neuland-Vertreter.

Frank Ahrens, zuständiger verd.i- Sekretär, machte die Kampfbereitschaft der Kolleg:innen deutlich und versicherte: „Wir kommen wieder, wenn am Donnerstag, 13.7., nicht Bewegung in unsere Sache kommt.“

Foto: M. Hartung

Video unter fb.watch%2FlLMFWA9Tjj%2F

Porsche darf nicht länger geehrt werden!

5. Juli 2023


Protest an der verhüllten Porschebüste. Foto: Mecki Hartung

Am ersten Juli-Wochenende feierte die Stadt Wolfsburg mit viel Aufwand ihren 85-jährigen Geburtstag. Die Stadtgründung 1938 unter dem Nazi-Regime im Beisein von Hitler und Porsche und die danach folgende langjährige Ausbeutung und Drangsalierung von tausenden Zwangsarbeiter*innen und KZ-Häftlingen in der damaligen „KdF-Stadt“ wurden aber bei den „Feierlichkeiten“ fast nicht erwähnt.

Deswegen hatten junge Aktivist*innen um das Aktionszentrum Amsel44 zu einer Protestkundgebung an dem Porschedenkmal aufgerufen, das prominent vor dem Rathaus in der gleichnamigen Porschestraße steht. In ihrem Aufruf heißt es: „Für einen kritischen Umgang mit der Stadtgeschichte braucht es eine konsequente Auseinandersetzung mit dem Nazi-Erbe. Lasst uns Zusammenhalt und Solidarität feiern statt die Geburtsstunde von Ausbeutung und Zerstörung bei Fallersleben“.

Etwa 20 überwiegend junge Menschen waren dem Aufruf gefolgt und versammelten sich vor dem Denkmal. Nach einer Farbaktion einige Tage zuvor war es von der Stadt verhüllt worden.

Die VVN-BdA Wolfsburg war von den jungen Aktivist*innen wegen ihrer langjährigen Bemühung zur Aufarbeitung der Wolfsburger Geschichte um einen Redebeitrag gebeten worden. Die VVN-BdA-Vorsitzende Mechthild Hartung zitierte dazu aus einem von ihr unterschriebenen Flugblatt aus dem Jahr 1996: „Porsche darf nicht länger geehrt werden! Denn: Er war zutiefst in das NS-Regime integriert. Er war Parteimitglied der NSDAP und seit 1942 SS-Oberführer, entsprechend einem Generalsrang. Und er war im Kreis um Hitler bei der Planung des Raubkrieges gegen die Sowjetunion beteiligt und wurde deswegen beim Beginn des Überfalls am 22. Juni 1941 zum Vorsitzenden der Panzerkommission ernannt. Die Porsche-Panzer sollten den „Blitzkrieg“ entscheiden“.

Langer Atem erforderlich

„Ihr seht, es braucht einen langen Atem, wenn man in Wolfsburg für demokratische Veränderungen kämpft. Deswegen freue ich mich über Eure tolle Aktion“ so Hartung zu den jungen Aktivist*innen. Daraufhin sagte ein junger Aktivist mit Blick auf das komplett verhüllte Denkmal spöttisch: „Die Stadt hat ja mit ihrer klasse Verhüllung schon gut mitgearbeitet. Das kann ruhig so bleiben!“

Viel erfreuten Anklang fanden neben den Reden auch die literarischen und musikalischen Beiträge des Helmstedter Rezitators Johann Voß und einer jungen Aktivistin aus dem Amsel44-Umfeld. Sie hatte spontan für die Aktion einen Liedtext auf die Melodie von „Bella Ciao“ geschrieben, den sie mit ihrer Quetsche schwungvoll vortrug. Die Zuhörer*innen stimmten begeistert jeweils in den Refrain ein. Alfred Hartung

Die verhüllte Porschebüste von hinten.
Foto: Mecki Hartung

Tag des Flüchtlings am 20. Juni: Das Problem heißt Rassismus

5. Juli 2023

Foto: Gianni Marazza

Am 20. Juni haben Wolfsburger Gruppen und Initiativen den „Tag des Flüchtlings“ im Garten des Hallenbades begangen. Bei gutem Wetter konnten sich vor allem Flüchtlingsfamilien an Ständen, Infotischen und Spieleinrichtungen informieren und entspannen. Im Rahmen der Wolfsburger Flüchtlingshilfe hat sich auch die Wolfsburger VVN-BdA an der Aktion beteiligt – siehe Foto.

Dazu sagt die Wolfsburger VVN-BdA-Vorsitzende Mechthild Hartung: „Wir sind solidarisch mit den Flüchtlingen, die in unser Land kommen. Niemand verlässt zum Spaß seine Heimat, sondern wird von Not aller Art dazu getrieben. Unser Land hat die Möglichkeit zu helfen. Der Umgang mit den Flüchtlingen aus der Ukraine zeigt, dass selbst große Zahlen kein Problem sind, wenn der politische Willen dazu vorliegt. Ukrainer*innen dürfen sich nämlich selbst eine Unterkunft suchen, bei Freund*innen oder Unterstützer*innen unterkommen. Sie erhalten im Unterschied zu Asylsuchenden ein sofortiges Aufenthaltsrecht und dürfen sofort arbeiten. Die diskriminierenden Regelungen des Asyl- und des Asylbewerberleistungsgesetzes gelten für sie nicht“, so Hartung.

Das Problem sei also nicht die Anzahl, sondern das Kalkül der Regierenden, dass diese ukrainischen Geflüchteten aufgrund ihrer Qualifikationen eine Bereicherung für den deutschen Arbeitsmarkt darstellen, meint die VVN-BdA-Sprecherin und ergänzt. „Hinten runter fallen die Verfolgten aus anderen Teilen der Welt. Das Mitleid ist aufgebraucht, für sie ist kein Platz mehr. Das Problem heißt Rassismus. Und deswegen ist unser Platz genau an der Seite dieser Menschen!“ Alfred Hartung

„Wolfsburger Kessel“ war rechtswidrig

20. Juni 2023

Juni 2020: Von der Polizei eingekesselte Demonstrierende aus der Perspektive der Betroffenen. Außerhalb des Kessels: Der Journalist Jörg Bergstedt, zu diesem Zeitpunkt noch mit Kamera Foto: H. G. Dempewolf

Am 15. Juni 2023 hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in zweiter und letzter Instanz über einen Polizeieinsatz entschieden, der am Wolfsburger Amtsgericht am 2. Juni 2020 stattgefunden hatte. Damals hatte die Polizei nach einer Solidaritätsdemo vor dem Amtsgericht die Teilnehmenden einer Spontandemo von der Straße gedrängt, eingekesselt, die Personalien aller Beteiligten festgestellt und Platzverweise für das gesamte Wolfsburger Stadtgebiet ausgesprochen. Diese Maßnahmen hat nun das OVG Lüneburg in der Verhandlung als „eindeutig rechtswidrig“ beurteilt.

Diese Vorgänge liegen drei Jahre zurück. Auch Wolfsburger VVN-BdA-Mitglieder waren seinerzeit von dieser Repression betroffen. Wir berichteten damals auf unserer Homepage. Hier ein Auszug aus diesem Beitrag:

Solidarität mit Angeklagten

„In Zusammenhang mit einer bevorstehenden Gerichtsverhandlung gegen einen Umweltaktivisten solidarisierten sich am 2. Juni in Wolfsburg etwa 20 Menschen mit dem Angeklagten. Sie begleiteten ihn mit einer Demonstration und Zwischenkundgebungen zum Amtsgericht. Zur Gerichtsverhandlung wurden nur 4 Personen zugelassen.

Während dessen erfuhren die Protestierenden, dass vier Mitglieder von „Robin Wood“ von der Polizei festgenommen und in der Polizeiwache festgehalten wurden. Als sie dorthin gehen wollten, um die vier Aktivisten bei ihrer Freilassung zu begrüßen, wurden sie nach wenigen Minuten von mindestens 30 PolizistInnen eingekesselt.

‚Wir wurden zwei Stunden lang auf kleinster Fläche eingekesselt! Wasser konnte wegen Coronapandemie nicht herumgereicht werden wie sonst‘, sagt Mechthild Hartung, Landesprecherin der VVN-BdA Niedersachsen.

Platzverweise für Presse

Auch PressevertreterInnen wurde ihre Arbeit unmöglich gemacht. Ihnen wurden Platzverweise erteilt. Der Aktivist Jörg Bergstedt wurde zudem körperlich angegriffen, Dateiträger und Akkus wurden entwendet, anschließend wurde seine leere Kamera und das Stativ konfisziert. Er wurde zur Polizeiwache zitiert, weil dort angeblich die Echtheit seines Presseausweises verifiziert werden sollte.“

(https://wolfsburg.vvn-bda.de/2020/07/08/gegen-polizeiwillkuer-in-wolfsburg-und-anderswo/)

Nachspiel angekündigt

Unser Bericht endete seinerzeit mit dem Satz: „Inwieweit diese polizeilichen Maßnahmen rechtens waren oder auch nicht, ist sehr umstritten. Sehr wahrscheinlich wird es zu den Aktionen der Polizei ein Nachspiel geben.“

Und die gab es dann auch: Fast alle Beteiligten legten Widerspruch gegen die Bußgeldbescheide der Stadt Wolfsburg wegen „Nichteinhaltung der Corona-Abstände“ im engen Kessel ein, fast alle Beteiligten reichten auch Klage gegen die Maßnahmen der Polizei ein. Alle Bußgeldbescheide sind, sofern dagegen Widerspruch eingelegt wurde, von der Staatsanwaltschaft auf Kosten der Staatskasse bereits im November 2022 eingestellt worden.

Das OVG Lüneburg hat nun eine der anhängigen Klagen gegen die Polizeimaßnahmen quasi als „Musterklage“ verhandelt und die Polizeimaßnahmen letztinstanzlich als rechtswidrig beurteilt. Der Kläger, der Braunschweiger Edmund Schultz, ist mit diesem Urteil sehr zufrieden: „Es wurde wieder einmal gerichtlich festgestellt, dass Polizei und Gerichte sich auch in Wolfsburg und Braunschweig an das Grundgesetz halten müssen. Es ist traurig und empörend, dass da offensichtlich Nachhilfe nötig ist.“ Er betonte weiter: „Großen Anteil an diesem Urteil hat der beteiligte Rechtsanwalt Nils Spörkel, der mit viel Engagement unter anderem die Berufung für dieses Verfahren erkämpft hat“.

Die noch in gleicher Sache anhängigen Klagen werden nun vermutlich ohne weiteren Prozess abgehandelt und für die Kläger positiv beschieden.

Klatsche für Polizei

Das gestrige Urteil ist kaum anders zu bewerten als eine Klatsche für die Wolfsburger Polizei und für das Braunschweiger Verwaltungsgericht. Allerdings zeigt die kürzliche Razzia bei den Verkehrswendeaktivist:innen von „Amsel 44“, die mit lächerlichen Vorwänden begründet wurde (Graffiti im Stadtgebiet und die Verwendung des VW-Logos auf einem Flugblatt unbekannter Herkunft), dass die Wolfsburger Polizei nicht lernwillig ist. Die Beschlagnahmung der gesamten IT der Aktivist:innen behindert diese massiv. Sollte das der eigentliche Grund für die Razzia gewesen sein?

Antifa-Stadtrundfahrt beim Klimacamp in Wolfsburg

12. Juni 2023

Stopp bei der Infostele „Militärstraflager“. Foto: M. Hartung

Vom 5.5 – 10.5. organisierte das Verkehrswende-Projekt „Amsel44“ in Wolfsburg ein Klimacamp mitten in der Stadt: sozusagen – nach eigener Auskunft – in der „Höhle des Löwen“. Fünf Tage lang diskutierten vorwiegend junge Menschen aus Niedersachsen und anderen Bundesländern die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Stärkung des öffentlichen Verkehrs und die Probleme beim Rückbau der Automobilindustrie (siehe verkehrswendestadt.de/vw-umbauen/).

Die Wolfsburger VVN-BdA hatte im Programm am 6. Mai auch eine Antifa-Stadtrundfahrt angeboten. Trotz vielen anderen interessanten Programmpunkten nutzten ca. 20 Teilnehmer*innen diese Möglichkeit. Sie waren sichtlich beeindruckt davon, dass nur einige Jahrzehnte früher die gesamte heutige Innenstadt und auch das Gelände ihres Klimacamps von Zwangsarbeiter*innen-Baracken übersät war. Besonders die Geschichte des ehemaligen sogenannten „Kinderheims“ des Volkswagenwerkes, in dem fast 80 Kleinkinder von Zwangsarbeiterinnen umkamen und das unmittelbar neben ihrem heutigen Klimacamp lag, berührte die jungen Aktivist*innen sichtlich. An der Berufsschule, die heute dort steht, hatte die Wolfsburger VVN im Jahr 2013 gemeinsam mit dem IG Metall-Ortsteil und Schüler*innen der Berufsschule ein Relief angebracht.

Eine weitere Station war die Infostele vor der BBS2, die auf das ehemalige Militärstraflager hinweist. Dort herrschten besonders brutale Bedingungen. Die Stele zeigt die Überlagerung des historischen Lagerplans mit dem aktuellen Stadtplan. Die identische Straßenführung schockte die Teilnehmenden besonders. „Dann sind wir ja gerade auf den ehemaligen Lagerstraßen gefahren!“ – so eine junge Teilnehmerin. Alfred Hartung

„Wer ist hier kriminell?“ VVN-BdA solidarisch mit Klimabewegung

12. Juni 2023

Solidarisch gegen Razzien: VVN-BdA. Foto: M. Hartung

Ende Mai haben in vielen Städten Menschen gegen die Kriminalisierung der Klimagerechtigkeitsbewegung protestiert. Auch in Braunschweig hatten sich am 31.5. rund 200 Menschen auf dem Schlossplatz versammelt.

Aufgerufen zu dieser Kundgebung hatte das Braunschweiger Klimanetzwerk, ein Zusammenschluss vieler Klimagerechtigkeitsgruppen. Die VVN-BdA zeigte deutlich ihre Solidarität. – siehe Foto.

Diese Veranstaltung war eine Reaktion auf die Hausdurchsuchungen bei Aktivist:innen der „Letzten Generation“ in mehreren Bundesländern. Aber auch das Verkehrswende-Projekt „Amsel44“ in Wolfsburg war von den Razzien betroffen: Es wurde Ende Mai ebenfalls durchsucht, dabei wurden sämtliche Rechner sowie anderes Gerät beschlagnahmt.

Solidarität mit Klimaaktivist:innen

Diese Repression gegen Klimaaktivist:innen wurde in allen Redebeiträgen auf der Kundgebung immer wieder scharf verurteilt. Die Versammelten waren sich darin einig, dass die Klimabewegung mit allen Betroffenen solidarisch sein muss, auch wenn in der einen oder anderen Frage unterschiedliche Auffassungen bestehen.

„Wer ist hier kriminell? Wer radikalisiert sich? Die Klimaaktivist:innen oder der Staat?“ Diese rhetorischen Fragen konnte man auf der Kundgebung immer wieder hören. Es wurden auch einige wichtige Stimmen zitiert, die diese Repression für absolut unangemessen und völlig überzogen halten. So z.B. UNO-Generalsekretär António Guterres, der angesichts der Versuche, Klimaschützer:innen zu kriminalisieren, sagte: „Klimaaktivisten – angeführt von der moralischen Stimme junger Menschen – haben ihre Ziele auch in den dunkelsten Tagen weiter verfolgt. Sie müssen geschützt werden und wir brauchen sie jetzt mehr denn je.“

Die VVN-BdA-Mitglieder jedenfalls nehmen sich vor, die bereits bestehenden Kontakte zur Klimagerechtigkeitsbewegung auszubauen und zu pflegen. Sie können mit ihrer langen Erfahrung hinsichtlich der Repression der deutschen Behörden gegen demokratische und linke Bewegungen bei Bedarf nützliche und hilfreiche Hinweise geben. Alfred Hartung

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