Aleksandr durfte nur 6 Tage alt werden

28. November 2023

Wolfsburg: Neue Gedenktafel für ermordete Kinder

Das Volkswagenwerk in Wolfsburg hat im Faschismus unter seinen Geschäftsführern Porsche und Piech massenhaft Zwangsarbeiter*innen und KZ-Häftlinge, vor allem aus der Sowjetunion und Polen für seine Rüstungsproduktion eingesetzt. Wurden Babys von den meist jungen Zwangsarbeiterinnen geboren, so wurden sie den Müttern bereits nach wenigen Tagen entrissen, damit diese wieder uneingeschränkt für die Produktion zur Verfügung standen.

Die Babys wurden in sogenannten „Ausländerkinder-Pflegeheimen “ des Volkswagenwerkes erst in der damaligen „KdF-Stadt“ und später, nach Unruhen unter den Müttern, im nahen Rühen untergebracht. Dort starben sie aufgrund von mangelhafter Ernährung und katastrophalen hygienischen Verhältnissen oft schon nach kurzer Zeit (wir berichteten mehrfach). Zum Beispiel starb der kleine Aleksandr bereits nach sechs Tagen, exakt am Tag des Gedenkens vor 79 Jahren (Aleksandr Nenko, 15.11.1944 – 21.11.1944).

An der Stelle des „Pflegeheims“ steht im heutigen Wolfsburg eine Berufsschule. An deren Eingang hatte 2013 die VVN-BdA Wolfsburg gemeinsam mit der IG Metall Wolfsburg und der Schulleitung eine Gedenktafel, bestehend aus Relief und erklärender Texttafel, angebracht, die erstmals an das schreckliche Schicksal der Kinder an dieser Stelle erinnerte. Sowohl Relief als auch die Inschrift waren seit damals mehrmals beschädigt und beschmiert worden.

Am 22.11.2023 haben die drei Organisationen nun die erneuerte Texttafel der Öffentlichkeit übergeben (Foto mit Schülern). Die Wolfsburger VVN-BdA-Vorsitzende Mechthild Hartung erklärte dabei: „Ich freue mich, dass heute viele Jugendliche vor Ort sind, die den Staffelstab der Erinnerung und Mahnung, den wir einst von den Überlebenden aus den Konzentrationslagern erhalten haben, hoffentlich weitertragen werden. Jetzt, da rechtes Gedankengut wieder immer stärker um sich greift, ist das wichtiger denn je. Wir müssen viele verschiedene Formen finden – Demos, Bildung, sichtbare Erinnerungsarbeit, um Aufklärung und Widerstand zu verwirklichen.“

Alina Krull, Lehrerin für Politik und Wirtschaft, die mit zwei Kolleg:innen und gut 20 Schüler*innen zur Übergabe gekommen war, ist verantwortlich für das Netzwerk „Schule ohne Rassismus“ an der Berufsschule und will vor dem Hintergrund der dem Tod überlassenen Kinder nun verstärkt Themen der UN-Kinderrechtskonvention im Unterricht behandeln. Sie bedankte sich für den Klassensatz der VVN-BdA-Broschüre zu den beiden Kinderheimen, der bei der Behandlung des Themas hilfreich sein wird (siehe auch wolfsburg.vvn-bda.de/2013/11/12/zum-sterben-geboren-im-lager-ruhen-das-lager-das-zum-sterbelager-wurde).

Auch in den örtlichen Medien wurde die Übergabe der Gedenktafel an der Berufsschule anerkennend gewürdigt, vgl z.B. WAZ vom 22.11.23 und https://www.igmetall-wob.de/meldung/ig-metall-vvn-bda-und-bbs-i-erinnern-an-tote-kinder-in-ns-kinderheim. Text und Fotos: Alfred Hartung