Antikriegstag 2025 in Hildesheim: Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg
16. September 2025

Zum diesjährigen Antikriegstag hatte der DGB Hildesheim zu einer Gedenkveranstaltung auf den Hildesheimer Nordfriedhof eingeladen. Dort sind etwa 500 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus 12 Ländern begraben, die von den Naziverbrechern umgebracht wurden oder sich in den Fabriken der vom Nazisystem profitierenden Fabrikherren zu Tode geschuftet haben. Ca. 50 Bürgerinnen und Bürgern waren der Einladung des DGB gefolgt.
Neben dem Pastor der Martin-Luther-Gemeinde Lutz Krügener war auch Mechthild Hartung vom VVN-BdA Landesverband Niedersachsen als Rednerin eingeladen. Zu Beginn ihres Beitrages machte sie ihre Erschütterung darüber deutlich, dass hier auch die Opfer des Massakers begraben liegen, die noch wenige Tage vor dem Kriegsende im März im März 1945 auf dem Hildesheimer Marktplatz wegen nichtiger ‚Vergehen‘ – sie hatten angekokelte Konservendosen gegen ihren Hunger bei Aufräumarbeiten mitgenommen – öffentlich gehängt worden waren.
Menschen mit aufrechtem Gang
Die VVN-BdA setzt sich in Tradition der überlebenden Häftlinge des KZ Buchenwald und ihrem „Schwur von Buchenwald“ gegen jeden Krieg und die wieder erstarkenden faschistischen Kräfte in ganz Europa ein: „Diese Menschen mit dem aufrechten Gang und dem klaren Blick für die politischen Zustände sind unsere Vorbilder. Sie haben nach 1945 nicht die Hände in den Schoß gelegt, sondern klar erkannt: Der Krieg ist vorbei, aber Militarismus und Herrenmenschen-Denken bestehen weiterhin. Dem muss organisiert begegnet werden“. Ihre Rede kann unten gelesen werden.
Weiße Friedenstauben
Nach zwei gemeinsam gesungenen Antikriegsliedern klang die eindrucksvolle Veranstaltung mit einer tollen Aktion aus: Auf die Grabsteine legten die Anwesenden weiße Friedenstauben nieder, die die Kolleginnen der DGB-Geschäftsstelle, teilweise auch gemeinsam mit SchülerInnen, gefaltet hatten – siehe Foto. Diese gemeinsame Antikriegsaktion wird sicherlich vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Gedächtnis bleiben. A. Hartung
Rede M. Hartung aus Anlass des Antikriegstages in Hildesheim
Liebe Freundinnen und Freunde,
zunächst einmal: vielen Dank dafür, dass ich heute hier bei Euch für die VVN-BdA Niedersachsen sprechen darf – für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.
Hier gedenken wir der mehr als 700 Opfer der Zwangsarbeit. Die Menschen wurden aus 12 Nationen hierher verschleppt, italienische Militärinternierte wurden von einem Tag auf den anderen von Komplizen der Nazis zu ihren Feinden.
Ihr kennt die Geschichte dieses Ortes. Ich wollte sie hautnah erfahren, bevor ich hier spreche. In Vorbereitung auf den heutigen Tag hat Ralf Jürgens dankenswerter Weise eine Antifa-Führung mit mir realisiert, bei der wir auch am Gebäude der „KSM“, früher „VDM“, waren. Dieser Zulieferer für die Rüstung profitierte durch den Einsatz von 4000 Zwangsarbeitern. Eine Mahn- und Erinnerungstafel wäre auch hier sinnvoll. (Was nicht ist, kann noch werden…)
Ich war erschüttert, als ich erfuhr, dass noch im März und Anfang April 1945 auf dem Hildesheimer Marktplatz Zwangsarbeiter und italienische Militärinternierte ermordet wurden – ! Etwa 50 Menschen wurden öffentlich gehängt! Ähnliches hatte ich noch nie gehört oder gelesen.
Auf die 80 Erhängten im Polizeiersatzgefängnis hier in der Nähe gehe ich jetzt nicht ein.
Diese armen Menschen hätten wenige Tage später frei sein können. Aber sie wurden ermordet, weil sie bei den Aufräumarbeiten nach der Bombardierung der Stadt angekokelte Konservendosen mitgenommen hatten.
Wie muss man sich das vorstellen? Handwerker errichten ohne Widerstand fachmännisch einen Galgen auf dem Marktplatz, ringsherum Trümmerberge – ich habe die Fotos gesehen. In verblendetem Fanatismus treibt die Gestapo die erschöpften wehrlosen Zwangsarbeiter aus ihren Baracken auf den Marktplatz, noch siegessichere Nazis gehen dorthin, um dem Ermorden zuzusehen –
In Bertolt Brechts Gedicht, von Hanns Eisler vertont, „Ein Pferd klagt an“ schneiden hungrige Menschen Fleisch aus seinem lebendigen Leib; das Pferd fragt sich:
„was für eine Kälte muss über die Menschen gekommen sein?
Sie gaben mir Säcke gegen die Fliegen doch…“
Vor dem Rathaus befindet sich eine in den Boden eingelassene Gedenk-Messingplatte und an einer Säule des Rathauses ist schwer auffindbar ein QR-Code zu finden; er führt zur Homepage des „Vernetztes Erinnern“. Dies war bitter notwendig – aber es hat auch in Hildesheim viel zu lange, nämlich 70 Jahre (!), gedauert, bis 2015 ein sichtbares Zeichen der Öffentlichkeit übergeben wurde. Dafür gestritten hatte – nicht die Stadt – sondern die zivilgesellschaftliche Initiative „Vernetztes Erinnern“. Vielleicht sind einige ihrer Mitglieder sogar heute hier.
Dieser Initiative sei Dank!

Wir haben eben ein Foto verteilt, das mich immer wieder beeindruckt. Kurz nach der Kapitulation Nazideutschlands ist es notwendig, dass diese Menschen zwischen Trümmern gegen die Wiederaufrüstung demonstrieren. Sie haben gerade KZs, Zuchthäuser, Verfolgung überlebt und müssen schon wieder auf die Straße, um gegen Aufrüstung und für die „Auszahlung der gesamten Haftentschädigung“, wie es auf einem der handgeschriebenen Schilder heißt, eintreten. Diese Menschen mit dem aufrechten Gang und dem klaren Blick für die politischen Zustände sind unsere Vorbilder. Sie haben nach 1945 nicht die Hände in den Schoß gelegt, sondern klar erkannt: Der Krieg ist vorbei, aber Militarismus und Herrenmenschen-Denken bestehen weiterhin. Dem muss organisiert begegnet werden. So wurde die VVN schon 1947 gegründet.
Am 19.April 1945 hatten 21. 000 entkräftete Häftlinge auf dem Appellplatz des KZ Buchenwald den berühmten flammenden Schwur von Buchenwald abgelegt, in dem es u.a. heißt:
„… Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig.“
Dieser Schwur von Buchenwald ist Leitmotiv unseres Handelns. Wir tragen den Staffelstab der ehemaligen Häftlinge weiter, so gut wir können. Wir wollen uns nicht erschüttern lassen, wenn unser Einsatz oft auch fast aussichtslos scheint.
Kriege und Rechtsentwicklung scheinen sich unaufhaltsam auszuweiten.
Aber: es gibt Lichtblicke. Fünf möchte ich hier nennen:
- In der Lüneburger Heide hat sich im Juni ein „FriedensRatschlag Lüneburger Heide“ gegründet, am Ort des größten Truppenübungsplatzes Europas und am Ort des Rüstungsmolochs Rheinmetall. (Eine solche Initiative mit Menschen in vielen verstreut liegenden Orten ist nicht einfach.)
- Am Wochenende fand ein Mut machendes Camp der Initiative „Rheinmetall entwaffnen“ in Köln statt, auf dem ideenreich und solidarisch um Wege der Gegenwehr gegen die ungeheure Macht dieses Rüstungskonzerns gerungen wurde. Fragen zur drohenden Wehrpflicht, der Militarisierung der Gesellschaft und der internationalen Solidarität standen auf dem Programm. Ihre Slogans sind unsere Slogans:
„Kein Jeck ist kriegstüchtig!“, „Gegen deutsche Waffenexporte“, „Gegenmacht aufbauen“, „Eine Welt ohne Herrschaft und Waffen ist möglich! Gegen jeden Krieg! Gegen jedes Militär!“, „Deserters of all countries – we love you!“
Die machtvolle friedliche Abschlussdemonstration am Samstag wurde – wie leider immer erwartet werden muss – durch die Polizei massiv behindert bis zu einer acht Stunden währenden Einkesselung!
Gigantische Herausforderungen dürfen uns nicht erdrücken und stumm machen.
- So existiert auch seit einer Auftaktveranstaltung im Raschplatzpavillon Hannover 2021 eine „Norddeutsche Friedensbewegung – Offensive für Frieden und soziale Gerechtigkeit“. Von Rostock über HH bis Emden tauschen wir uns aus, koordinieren wir Schwerpunkte wie Info-Veranstaltungen zu KSZE, zur Unterschriftensammlung unter den Berliner Appell und Unterstützung beim Kampf gegen NATO-Übungen in HH oder Rostock. Es macht absolut Mut, wenn man sieht, dass in vielen Städten Aktivitäten stattfinden.
- Wir müssen versuchen, linke Kräfte zu stärken -nichts ist umsonst – sogar ein kleiner Aufkleber „NIE WIEDER KRIEG“ (5x5cm), der Fahrradfahrer mehrmals hintereinander von Laternenpfählen grüßt, stärkt uns. ‚Da ist jemand in meiner Nähe, der so tickt wie ich.‘
- In Stuttgart, Berlin und im Juli in Salzgitter fanden gewerkschaftliche Friedenskonferenzen statt unter dem Motto „Den Frieden gewinnen – nicht den Krieg“.

Zum Schluss muss ich zum Genozid in Gaza sprechen. Auf das unerträgliche Leid der palästinensischen Bevölkerung und die ausweglose Kriegführung Israels auch mit deutschen Waffen reagierte die VVN-BdA am 22.8. 2025 mit einer Stellungnahme, aus der ich zitiere:
„Solidarität mit der Bevölkerung in Gaza und mit der israelischen Friedensbewegung: Den Druck auf die israelische Regierung erhöhen!
Die geplante Ausweitung des Krieges, die Wiederbesetzung des Gazastreifens durch israelische Streitkräfte und die Siedlergewalt im Westjordanland sowie die damit einhergehende illegale Landnahme sind völkerrechtswidrig. Diese konstanten Brüche des Völkerrechts müssen im Sinne einer ehrlichen und offenen Partnerschaft zwischen der BRD und Israel Konsequenzen haben. Die Menschen in Gaza dürfen nicht auf dem Altar der Interessen der deutschen Rüstungslobby geopfert werden. Wie unsere Freund*innen in Israel sind wir der Überzeugung, dass das derzeitige Vorgehen der israelischen Regierung den Menschen in Israel und Palästina keinen Frieden bringen wird. Der Kampf gegen eine Kultur des Hasses, wie sie beispielsweise die Hamas verkörpert, und die Stärkung demokratischer Strukturen kann nicht mit Waffengewalt erreicht werden.
Wir fordern von der deutschen Bundesregierung den sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen an Israel. Sie soll sich an der Lieferung und direkten Verteilung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und weiteren überlebenswichtigen Gütern an die hungernde Bevölkerung in Gaza beteiligen.
Wir wünschen unseren Freund*innen in Israel und Palästina weiterhin viel Kraft und Mut. Wir stehen in dem Kampf für Demokratie, Frieden und Menschlichkeit weiterhin an eurer Seite!“ Zitat Ende (Hier spontaner Applaus.)
Am 3.Oktober kann man in Berlin auf einer bundesweiten Demonstration unter dem Motto „Kriegstüchtig: Nie wieder“ für den Frieden und gegen die Aufstellung neuer US-Raketen in Deutschland demonstrieren. Mehr Informationen dazu gibt es auf der Homepage „Nie wieder Krieg“
Eine Alternative zum Handeln gibt es nicht.
Ich danke Euch.