Spurensuche in Wolfsburg: „Die Vergangenheit überall in der Stadt verorten“
11. Dezember 2014
Geschichte, Zwangsarbeiterinnen
Ein Bericht von Dr.Alfred Hartung
Mitte November 2014 hatte die VVN/BdA Wolfsburg gemeinsam mit dem „Wolfsburger Verein Erinnerung und Zukunft“ unter dem Titel „Spurensuche“ zu einem Vortrag mit anschließendem Seminar eingeladen. Referent war Dr. Reinhardt Bernbeck, Professor für „Archäologie der Moderne“ an der FU Berlin. Anlass war die Sanierung eines Innenstadtbereiches von Wolfsburg, in dem in der Nazizeit – damals Stadt des KdF-Wagens – ZwangsarbeiterInnen-Lager standen (vgl. Antifa, Nov./Dez. 2014).
Vor 27 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, darunter Fachpersonal der Wolfsburger und Helmstedter Stadtverwaltung, des Wolfsburger „Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS)“ und der „Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten“, erläuterte Prof. Bernbeck die Möglichkeiten der „Archäologie der Moderne“ anhand von Beispielen, wie Spuren von Flüchtlingen in der Wüste, an Grenzen, Zäunen, Mauern. Insbesondere seine Ausführungen zu den Grabungen am Tempelhofer Feld/Berlin, wo ebenfalls zahlreiche Lager in der Nazizeit standen, waren für die ZuhörerInnen von besonderem Interesse. Die dort gemachten zahlreichen Funde werden in eine Datenbank eingepflegt (alles: Keramikteile, Mauer- und Baureste, …). Dabei hängt die Frage, ob Fundamente/Fundamentreste erhalten werden, nicht von jeweiligem Erhaltungszustand ab, sondern von ihrer Bedeutung und den gesetzlichen Bestimmungen. Prof. Bernbeck betonte, dass die Stadtverwaltung Berlin die Grabungen am Tempelhofer Feld „vorbildhaft“ gefördert habe. So bekamen die grabenden Menschen (überwiegend Studenten) z.B. Lohn. Auch politischen Streit gab es, wie überall in solchen Fällen. Aber Prof. Bernbeck ermunterte die Anwesenden, politischen Streit aus zu halten. An den Vortrag schloss sich eine Begehung des gegenwärtigen und des zukünftigen Sanierungsgebietes an, wo von MitarbeiterInnen der Stadtverwaltung Erläuterungen gegeben wurden. Erreicht werden konnte schon, dass das ehemalige Lagerareal als archäologische Fundstelle in die archäologische Datenbank Niedersachsen (ADAB) aufgenommen wurde und es im zukünftigen Sanierungsgebiet von Anfang an eine „Archäologische Baubegleitung“ geben wird. In der anschließenden regen Diskussion stand im Mittelpunkt, wie mit zukünftigen Funden umzugehen sei und welche Forderungen an die Stadt zu richten seien. Juliane Hummel, Mitarbeiterin der „ Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten“, betonte „die Kraft der historischen Exponate“, weshalb eine Ausstellung im öffentlichen Raum bei gleichzeitiger Kontextualisierung anzustreben sei. Das unterstützte auch Prof. Bernbeck: „Die Vergangenheit dieser Stadt sollte überall in der Stadt verortet werden.“ So könnten z.B. Barackengrundrisse auf dem Asphalt durch Andersfarbigkeit / andere Pflasterung sichtbar gemacht werden. Das Ziel: Geschichte sichtbar machen, Widerstände erwarten und aushalten. Weitere Vorschläge waren, mögliche Funde in Vitrinen am authentischen Fundort zu zeigen (nicht im Stadtmuseum) und/oder die Barackenstadt als Modell – wie in anderen Städten ihre Mittelalter-Vergangenheit – im Rathaus aus zu stellen. Die VVN/BdA Wolfsburg und der „Wolfsburger Verein Erinnerung und Zukunft“ werden das erfolgreiche Seminar weiter auswerten und versuchen, gemeinsam mit dem Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation (IZS) einen Vorschlag zu erarbeiten, der wirkungsvoll „die Vergangenheit überall in der Stadt verortet“.